Im Schatten von Nürnberg - das Tokyo Tribunal

Am Dienstag, dem 1. Juni 2021 fand um 18:00 Uhr im Rahmen der Veranstaltungsreihe Erlesenes Erforschen die Buchpräsentation und Podiumsdiskussion "Im Schatten von Nürnberg - das Tokyo Tribunal" statt.


Die Veranstaltung wurde per Livestream übertragen.
Eine Aufzeichnung des Livestreams ist auf Phaidra abrufbar.

Fotostrecke der Veranstaltung


Download: Einladungsfolder (PDF)

Programm:
Begrüßung
Markus Stumpf | Leiter der Fachbereichsbibliothek Zeitgeschichte, Universitätsbibliothek Wien, Universität Wien

Buchpräsentation: Transcultural Justice at the Tokyo Tribunal
Kerstin von Lingen | Institut für Zeitgeschichte, Universität Wien

Podiumsdiskussion: Im Schatten von Nürnberg - das Tokyo Tribunal
Kerstin von Lingen | Institut für Zeitgeschichte, Universität Wien
Miloš Vec | Institut für Rechts- und Verfassungsgeschichte, Universität Wien


Zu den Büchern:

Bis heute ist der Schwesterprozess des Nürnberger Prozesses in Japan, der Prozess in Tokyo, fast vergessen. Das ist insofern erstaunlich, weil er zu seiner Zeit ein vielbeachtetes Ereignis war. Elf Richter von elf Nationen saßen drei Jahre lang über 28 Angeklagte zu Gericht, allesamt Vertreter japanischer Eliten, Minister oder Generale. Es kam zu juristischen Kontroversen, etwa um den Angriffskrieg oder Handeln auf Befehl, die bis heute virulent sind. Neben dem Gericht selbst hatte jede der teilnehmenden alliierten Nationen ein Team von teilweise hundert Mitarbeitern vor Ort - Juristen, Übersetzer, Militärs, Analysten, Sekretärinnen, Köche und Chauffeure. All diese Ausländer versuchten, sich im vom Krieg völlig zerstörten Tokyo zurechtzufinden und bauten in den drei Jahren, die der Prozess dauerte, neben der dienstlichen Aufgabe, Recht zu sprechen, auch eine eigene Gemeinschaft auf. Die Buchvorstellung beleuchtet zum einen die Hintergründe und den Verlauf des Tokioter Prozesses, der juristisch zu einem Debakel wurde, da es keine einheitliche Urteilsfindung gab, zum anderen aber auch die „soziale“ Seite eines Tribunals, das im Schatten des Kalten Krieges 1948 fast unbemerkt zu Ende ging. Nach einer kurzen Buchvorstellung erläutert die Autorin im Gespräch mit dem Völkerrechtler Miloš Vec die Schwierigkeiten, aber auch die kulturellen Annäherungen, die sich aus der Prozessführung wie auch seinem Verlauf ergaben, und den „Lerneffekt“ den dieser für zukünftige Völkerrechtsprozesse haben sollte.

Transcultural Justice at the Tokyo Tribunal. The Allied Struggle for Justice, 1946-48. Edited by Kerstin von Lingen. Brill, 2018

The Tokyo Tribunal. Perspectives on Law, History and Memory. Edited by Viviane E. Dittrich, Kerstin von Lingen, Philipp Osten and Jolana Makraiová. TOAEP, 2021


Zu den Vortragenden:

Univ.-Prof. Dr. Kerstin von Lingen, M.A., ist Historikerin an der Universität Wien und dort seit 2019 Inhaberin der Professur für Zeitgeschichte (Vergleichende Diktatur-, Gewalt-und Genozidforschung). Zuvor war sie am Historischen Seminar der Universität Heidelberg tätig, wo sie 2017 habilitierte, sowie am Exzellenzcluster „Asia and Europe in a Global Context“. Hier leitete sie eine Nachwuchsgruppe zum Thema Kriegsverbrecherprozesse in Asien, aus der vier Dissertationen hervorgingen. Ihre Forschungsschwerpunkte gelten der Genozid- und Gewaltgeschichte, insbesondere dem Holocaust, Dekolonisierungsprozessen (mit Schwerpunkt Asien), zeithistorischer Rechtsgeschichte, Studien zu Memory, Identity and Apology, sowie der globalen Migrations-und Zwangsarbeitforschung.

Univ.-Prof. Dr. iur. Miloš Vec, Jurist, ist seit 2012 Professor für europäische Rechtsgeschichte am Institut für Rechts- und Verfassungsgeschichte der Universität Wien. Zuvor war er Fellow am Wissenschaftskolleg Berlin (2011/2012) und arbeitete am Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte in Frankfurt am Main. 2016-2020 Permanent Fellow am Institut für die Wissenschaften vom Menschen (IWM), Wien. Habilitation 2005 an der Goethe Universität Frankfurt für die Fächer Neuere Rechtsgeschichte, Rechtsphilosophie, Rechtstheorie und Zivilrecht. Miloš Vec ist Mitarbeiter der Frankfurter Allgemeinen Zeitung seit 1989. Sein aktueller Forschungsschwerpunkt liegt in der Völkerrechtsgeschichte.


Diese Veranstaltung fand im Rahmen der Veranstaltungsreihe Erlesenes Erforschen statt.

Unter dem Motto „Erlesenes Erforschen“ präsentieren Forscher*innen aus unterschiedlichen Disziplinen am Campus der Universität Wien ihre aktuellen Neuerscheinungen einer breiten Öffentlichkeit.

Eine Kooperation von
Fachbereichsbibliothek Zeitgeschichte, Universitätsbibliothek Wien
Institut für Zeitgeschichte, Universität Wien
Forschungsschwerpunkt "Diktaturen, Gewalt, Genozide" der Historisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien